Anlauf Nummer 3

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Ich habe es ja nicht mehr ganz wahrhaben wollen, aber mein dritter Anlauf zum Langlauf ist heute geglückt. Über Nacht wurden die Loipen, die eher vereist sind nochmal leicht gepudert und es stellt sich die richtige Mischung aus Grip und Gleiten ein. IMG_20240202_100407.jpg

Hach, nun segele ich etwas übermütig über das Feld, das mit einer sich schlängelnden Loipe in all seine Ecken ausgestattet ist. Am gegenüberliegenden Punkt gibt es ein kurzes ungespurtes Stück, aber dann beginnt ein offensichtlicher Rundkurs. IMG_20240202_101758.jpg

Das Glück hält an, als sich die mir bekannt Loipenbrücke ins Stadion auftut. An einer Stelle wurde eine Kleinstraße im hohen Bogen überbrückt, sodass man direkt hineinsaust. IMG_20240202_102517.jpg

Stadion ist etwas übertrieben, aber es wirkt in seiner Aufmachung auch leicht dem Biathlon-Stand in Oberhof.
Am gelben Hotel steht wieder der Bus des polnischen Nationalteams und am Schiesstand wird munter trainiert. Ich kann mich nun auf wenige Meter hinter dem Trainer nähern und vielleicht bin ich irgendwelchen Berühmtheiten hier sehr nahe, um die mich Biathlon-Fans beneiden müssen. IMG_20240202_102839.jpg

Ich habe leider nicht allzu viel Ahnung wer wo gerade Meistertitel hat, aber Polen ist doch stark im Wintersport, oder? Anders als im Wettkampf aus dem Fernsehen, wirkt hier alles entspannt. Die polnischen Kommentare wirken nicht nach überragender Kritik.
Auch Kinder und Jugendliche trainieren, die mich deutlich in den Schatten stellen. Manche nehmen ihre Waffen auch erst beim Einlauf in den Schiesstand vom Haken, während andere mit denen auch ihre Runden fahren.
Irgendwann habe ich mich sattgesehen und gehe auf weitere Erkundungstour. Hinterm Stadion gehen die vielen sich schlängelnden Routen weiter, immer wieder mit Tal- und Bergfahrten, aber vor allem mit irre vielen Kurven. Als wenn jemand in das Waldstück die möglichst längste Strecke unterbringen wollte. Es gibt sogar Richtungspfeile.
Im Vergleich zu den Profis wirke ich sicherlich abgeranzt. Heute in dreckiger Jogginghose, wieder dem Plastebeutel auf den Rücken und die Winterjacke über der Schulter. Ich muss einschieben, dass ich am Vorabend meiner Abreise so manches unterschlagen habe und dazu gehört ein vernünftiger kleiner Rucksack oder dergleichen, für den täglichen Gebrauch. Der übergroße Plastebeutel hat zwei Schnüren, leistet gute Dienste und war mal ein Werbegeschenk. Nun meinte er, dass Trinken, Schuhe, Jacke und vieles mehr doch zu schwer ist und einfach heftig in die Schultern sich einschneidet. Nun habe ich die Winterjacke auf die Schulter gelegt, damit der Beutel angenehm ist. Leider fängt er auch an kaputt zu gehen. So wie schon die Bauchtasche ihren Geist aufgegeben hat und ich ganz vergessen habe, dass meiner Winterjacke der Reisverschluss seit Ewigkeiten den Geist aufgegeben hat. Dazu kommen noch andere Vergesslichkeiten und, Asche auf mein Haupt, zu dem jetzigen Zeitpunkt der Reise ist meine Reiseausstattung tatsächlich überraschend schlecht. Ich werde wohl in Reparatur Zeit und Geld stecken. Gerne nehme ich dafür von den Verfechter:innen der Mutti- und Vatisprüche Hinweise entgegen. Vorschläge meinerseits:

“so kannst du doch nicht aus dem Haus gehen”
“komm her, ich mach dir das mal”
“zieh dir was ordentliches an, das geht so nicht”

Diese Miesere ist für ein/zwei Stunden vergessen, aber so richtig geil ist die Lösung auf die Dauer nicht. Naja, ein letztes Mal fährt der Verrückte mit dem gelben Beutel und der Jacke auf der Schulter durchs Stadion und biegt Richtung Einstiegsstelle ab.
Für Nachahmer beschreibe ich detailliert, wie man zum Langlauf in Zakopane kommt. Man nehme am Busbahnhof, Haltepunkt 2, den Bus Richtung Kościelisko. An dem steht auch Kiry und Chochołów oft dran, Orte die danach kommen. Kościelisko ist der Nachbarort von Zakopane, aber im Unterschied eher eine weit zersiedelte Dörfersammlung. Das heißt, wir müssen das genauer beschreiben und die Örtlichkeit nennt sich Chotarz. Die Haltestelle für die Verleiherin nennt sich “Kościelisko Chotarz Polany”. Eine Fahrt kostet 5 Złoty. Dann einfach knapp 50 Meter zurücklaufen zur Hausnummer “202”, linke Seite. IMG_20240202_123825.jpg

Die Hauptstraße hier schimpft sich “Nędzy-Kubińca”. Die Nędzy-Kubińca 202 ist ein großes Einfamilienhaus, hat aber in der Einfahrt unter dem Baum eine neue Holzhütte. Tatsächlich bemerke ich später einen Aufsteller, der verrät: bis 3 Stunden 40 Złoty. Also keine 10 Euro. IMG_20240202_123756.jpg

Ich stehe etwas ratlos auf dem Hof, aber da öffnet sich die Tür der Hütte und eine junge Frau spricht mich an. Sie hat in ihrer Hütte ein kleines Büro und eine große Sammlung Langlauf-Ausrüstung. Mir geht das Herz auf. Wir kommunizieren hauptsächlich mit dem Handy-Übersetzer, aber das führt zum Erfolg.
Glücklich wie der Schneekönig marschiere ich mit Skiern, Stöcken und Schuhen zur Loipe. Sie hat mir auch verraten, wo es losgeht, auch das ist nirgends ausgeschildert. Ihr lauft gut 500 Meter den Berg runter, bis nach der Bushaltestelle “Kościelisko Chotarz Hajduk”. Gleich vier Spuren und ein Parkplatz. Es ist alles da, nur ist das Wissen den Erfahrenen vorbehalten.
Langlauf in Zakopane geht, aber es braucht Geduld.
Hier der Karten-Link zur Verleiherin
Hier der Karten-Link zum Loipenstart/-ende
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Wäre das mit dem Sack und Pack nicht so unangenehm, hätte ich auch noch weiter Runden gedreht. Nun stehe ich erstmal auf der anderen Seite der Bushalte und betrachte die Holzbaukunst. IMG_20240202_123942.jpg

Übrigens heißt Bedarfshalt auf Polnisch “Przystanek na żądanie” und wird abgekürzt “NŻ”. Für euch heute verifiziert.
Auch aus der Rubrik kommt “Zapiekanka”. Das hat nix mit der Stadt Zakopane gemein und ist ein billiges Essen, was es an jeder zweiten Ecke in Polen gibt. Man nehme eine olle Weißbrotstange, schneidet sie längs und bepackt sie mit Tomatenmark, Pilzen, Käse und Gewürze und fertig. Bekommt von mir eine “ist okay, wenn es sein muss, aber es darf gern was anderes sein”. Hier die Version von Lidl. IMG_20240202_132209.jpg

Zurück in Zakopane haut das Mittagstief voll rein und ich muss mich entscheiden, was mit dem letzten Nachmittag passieren soll. Ein großer Bergsee? Dafür viele Kilometer wandern und Steigeisen ausleihen? schaffe ich das noch? IMG_20240202_134257.jpg

Entscheidung fällt auf Option 2 und damit für’s Thermalbad. Ihr werdet verstehen, dass ich euch keine Photos mitgebracht habe. Aber ihr könnt euch ja vorstellen, wie ich bei 38 Grad im Außenbecken auf die schneebedeckten 2000er geblickt habe? oder schön bei 90 Grad sauniert?IMG_20240202_150407.jpg

Für die Schwimmmeister und Fachkräfte für Bäderbetriebe unter euch, aber nun meine detaillierte Einschätzung. Für Freitag Nachmittag in den Ferien, war es zwar voll, aber nicht überlaufen. Die Umkleiden haben Sitzbänke, die heruntergeklappt werden um die Türen zu blockieren. Die Wasserflächen sind großzügig dimensioniert, lediglich das Sportbecken ist mit zwei Bahnen sehr klein. Es gibt eine kleine Rutsche in einen Strömungskanal, der danach in eine größere Rutsche führt. Insgesamt drei größere Rutschen, davon zwei als Riesenrutsche in Parallel-Ausführung. Die Anzeigetafeln waren sehr detalliert. Temperaturen sämtlicher Becken, Außentemperatur, zwei Chlorwerte, “Redox” in Millivolt und andere. Bestimmt ein Dutzend Fachkräfte in der Aufsicht. Die Sauna ist dagegen klein, hat aber drei verschiedene Saunen: Finnische, Bio und Dampf. Eishöhle, Kaltwasserbecken, vier Ruheliegen und verschiedene spezielle Duschen. Der Sauna-Bereich ist abgetrennt und nur mit dem entsprechenden Chip begehbar. Sauna ist insgesammt nicht so nachgefragt. Eine Frau kontrolliert am Eingang regide, dass Textilien abgelegt wird. D.h. sie weißt darauf hin, sie kontrollierts nicht wirklich, aber es ist schon sehr deutlich. Trotzdem verhalten sich alle mit ihren Handtüchern sehr bedeckt in der Sauna. Insgesamt ist die Sauna so voll in Ordnung, aber einen Außenbereich bei aktuell um die 0 Grad wäre sicherlich schön. Aufguss in der Bio ist automatisch über einen Wasserhahn über den Steinen des E-Ofen. In der Finnischen kommt eine Angestellte und füllt mal was nach, aber ohne Brille habe ich das nicht richtig gesehen.
Insgesammt stimme ich für “Machen und nicht Lassen”.

Nach so viel Sport, bin ich auch fertig und werde wohl rasch die Vertikale suchen.

PS.: ja, Mutti, ich war am Freitag schwimmen!

 
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