Auschwitz - Birkenau

Heute ist der 27. Januar, Tag der Befreiung des größten ehemaligen Vernichtungslagers und deshalb internationaler Gedenktag. Da lag es auf der Hand den lange gesuchten Besuch der Gedenkstätte, direkt an meine Ankunft in Katowice anzuschließen und die Stadterkundung zu verschieben. Ich verzichte auf historische Grundlagen zum Lager und der Zeit. Ich berichte als Interessierter, der schon verschiedene ähnliche Orte aktiv gesucht und besucht hat.
Zu vorderst ist mir aufgefallen, dass es mindestens zwei Lager waren, nicht wie der Bindestrich vermuten lässt. Gute 3 km voneinander getrennt in der polnischen Kleinstadt Oświęcim gelegen. Von Katowice aus fahren mehrere Züge täglich direkt dorthin und zurück, hinzu kommen noch ein paar Umsteigeverbindungen, die dann länger als eine Stunde brauchen. Ansonsten schafft man es auch unter einer Stunde.
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Der Bahnhof Oświęcim ist neu und modern und von dort sind es keine 2 km bis zum Museum und Startpunkt im Südwesten der Stadt.
ja, es liegt in der Stadt und nicht auf dem freien Feld, abseits der Stadt, wie manche es aus Buchenwald kennen. Deshalb mischen sich diese Welten miteinander. Am Bahnhof ist ein erster kleiner Gedenkort und nach Mehrfamilienhäusern und Wohnscheiben folgen Wiese, Spielplatz und Gedenkorte. Ich habe noch nicht mal den Eingang gesehen, sehe ich schon einen einsamen Trompetenspieler und vier wichtige Menschen.
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Es wird ein rot-weißer Kranz abgelegt und verweilt. Rot-weiß ist gefühlt jeder Gedenkkranz, weil es die Farben Polens sind.
Auschwitz ist wohl so berühmt, dass Tourist:innen aus der ganzen Welt täglich dorthin strömen und bestimmt hunderte im Stundentakt durch die Anlage geschleust werden. Daher sind die Gebäude und Strukturen fast wie ein kleiner Flughafen.
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Die Öffnungszeiten ändern sich monatlich. Erst am Nachmittag wäre Zugang ohne Führung möglich, also nehme ich an einer solchen Teil. Schlimm ist was anderes, nur kostet diese. Gepäckband und dann warten an der digitalen Tafel bis mein Flug bzw. meine Gruppe startet.
Wir werden zu erst durch einen Tunnel bzw. Graben geführt, der künstlich angelegt ist und in dem die Namen der 1,3 Millionen Ermordeten durch Lautsprecher aufgesagt werden. Auschwitz ist das kleinere und ältere Lager und wir werden zu erst dort durchgeführt und gelangen immer wieder in verschiedene Häuser. Alles sind mehrstöckige Backsteinhäuser. Natürlich geht es durch den berühmten Toreingang mit der zynischen Inschrift “Arbeit macht frei”.
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Es ist auch immer eine kleine Begegnung mit sich selbst, da die Täter deutsch sprachen und ich hier deutsch schreibe. Sowohl meine Vorfahren und die meiner Leser:innen waren sehr wahrscheinlich Täter. Deutsch ist wohl auch die vielgelobte Präzision und Genauigkeit und Strukturbessenheit. So ließ z.B. die SS eine kleine Kappelle am Eingang spielen die damit den Marschiertakt der Gefangenen angab. Wenn sie morgens durchs Tor zur Zwangsarbeit rausmarschierten und abends wieder reinkamen, ließen diese sich so besser zählen. Es ging also nicht um Belustigung. Krasser wird es, wenn einem immer klarer wird, wie sämtliche Sachen der Ermordeten verwertet wurden. Schuhe, Brillen, Koffer, alles wurde gesammelt und verwertet. Es wurden selbst die abrasierten Haare gesammelt und zu Stoffe verarbeitet. Hier seht ihr eine Sammlung von jüdischen Gebetstüchern.
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Zu Beginn der Vernichtung wurden die Menschen in einem Hof zwischen den Baracken 10 und 11 erschossen. Die Blau-weiß-gestreiften Flaggen, sind das Symbol der Überlebenen.
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Gaskammern wurden in Auschwitz als erstes “getestet”, weil die Deutschen immer mehr Menschen umbringen wollten und erschießen ihnen zu ineffizient wurde. Findige Ingenieure kamen und bauten “leistungsstärkere” Systeme. So baute die Firma Topf und Söhne aus Erfurt “bessere” Krematorien, damit alle Leichen schneller verbrannt werden konnten. Es war kalte Ingenieurskunst Made in Germany.
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Selbst im anliegenden Wald wurden Menschen verbrannt, mit Rauchsäulen die in 40km Entfernung sichtbar waren. Von allen Menschen die in überfüllten Wagons ankamen, gingen 90% direkt in den Tod, der Rest wurde zur Zwangsarbeit verpflichtet. Manche wurden auch vor den Augen der anderen zur Strafe gehängt, wofür ein einfacher Stahlbalken auf dem Appellplatz konstruiert wurde.
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Heute ist noch eine Gaskammer übrig, die man noch besichtigen kann, auch wenn sie zwischenzeitlich umgebaut wurde und nicht die damalig “neuste” Version ist. Trotzdem ist es beklemmend kalt in einem Kellerraum zu stehen, und über sich die Schächte mit Klappen fürs Zyklon B.
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Die Führerin für die große Gruppe sprach oft in einem sehr bedächtigen, ja fast wütenden Ton. Sie betonte oft, dass wir auf den vermutlich größten Friedhof stünden und leitete uns immer wieder an, an bestimmten Orten keine Photos zu machen oder zu schweigen, als Respekt vor den Toten. Selbst der Fluss gilt als Friedhof, weil dort in riesigen Umfang Asche reingeschüttet wurde. Da wir über Kopfhörer und Funk verbunden waren, brach die Stimme von ihr in den Gebäuden manchmal ab. Es war oft eng und gleichzeitig kamen uns andere Gruppen entgegen. Es ist schwierig den Überblick zu behalten.
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Vom Museum Auschwitz aus fahren zum Gelände Birkenau im 10-Minuten-Takt kostenlose Busse. Zumindest der Bus den ich nutzte war wohl ursprünglich von den Dresdner Verkehrsbetrieben. In Birkenau setzte die Leiterin die Führung fort und zeigte uns die letzten stehenden Baracken, die oft schon gestützt werden, damit sie nicht einfallen.
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Die hölzernen Baracken stehen eh nicht mehr und die geziegelten sind aus den Trümmern der Dörfer entstanden, die die Deutschen für das Gelände platt gemacht haben. Die Gaskammern in Birkenau wurden gesprengt und ihre Ruinen können besichtigt werden.
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Die Deutschen haben vor der Befreiung versucht viele Beweise zu vernichten. Es ist den sehr wenigen Überlebenden zu verdanken, dass wir heute so viel über das Verbrechen wissen.
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Auf der fast freien Fläche wirkt das eklige Wetter umso härter. Regen, Schnee und Sturm wechseln sich ab und wir suchen Schutz in einer der Baracken. Die dreistöckigen “Betten” wirken in der Praxis noch kleiner als auf den Bildern.
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Wie in einem Loch gleich 5-7 Menschen gehaust haben können, scheint fast ein Rätsel. Die Bedingungen in den Lagern waren einfach menschenverachtend und menschenvernichtend.
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Weil heute der 79. Jahrestag der Befreiung ist, war auch eine Zeromonie am Abend mit mehreren Dutzend Überlebenden. Dafür war ein beheiztes Zelt beim Frauen-Lager aufgebaut und Blumenkränze vorbereitet. Es sprach zu erst eine Vertreterin der Überlebenden und dann je ein Vertreter Polens, Israels und der Gedenkstätte.
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