Iași II

Meine Erkundungstour begann erst später, da wir endlich Montag haben und die letzte Unterkunft immer noch nicht bezahlt ist, weil alle Lösungsversuche für die Kreditkarte gescheitert sind. Z.B. kann ich kein Geld abheben oder damit bezahlen.
Nun kann ich endlich jemanden in Deutschland in einer Hotline erreichen und tatsächlich erfahre ich nun, dass die Karte gesperrt wurde. Ich werde an den zuständigen Mitarbeiter weitergeleitet und der erläutert mir auf Nachfrage, dass die Kreditkarten durch einen Algorithmus überwacht werden. Passieren auffällige Dinge, die danach aussehen können, dass die Karte gestohlen wurde, greift der Algorithmus ein und sperrt die Karte. Das ist wohl in meinem Falle passiert. Er konnte diese freischalten, aber auch zukünftig, so erfahre ich, gibt es nur die Möglichkeit, dort wieder anzurufen, sollte dies erneut passieren. Hoffen wir mal, dass der Code meiner Reise weiterhin wohlgesonnen ist.

Im Zentrum stand heute wieder ein für mich spannender Teil rumänischer Geschichte. In Iași haben bis zum Anfang des 20ten Jahrhundert viele Jüdinnen und Juden gelebt, wie auch in vielen anderen Städten Europas. Hier haben sie sogar die knappe Mehrheit der Bevölkerung gestellt. Ähnlich der Entwicklung in Deutschland kommt eine faschistische Bewegung und eine Militärdiktatur im Königreich an die Macht und befeuert antisemitsche Progrome. Mit der “Eisernen Garde” gab es eine der SS ähnlichen Formation, die sich Iași zur Hauptstadt erkor. Die Deutsche Wehrmacht stationierte eine halbe Million Soldaten in Rumänien und überfielen dann gemeinsam am 22. Juni 1941 die Sowjetunion. Diese antwortete mit Luftschläge auf Iași am 26. und 28. Juni.
In antisemtischer Tradition wurde behauptet, dass die Juden Informationen an die Sowjets für die Luftangriffe weitergegeben hätten, sodass es am 29. Juni 1941 zum größten Massaker gegen jüdische Mitmenschen auf rumänischen Boden kam. Daran erinneren einige Orte in der Stadt und es gibt auch das Internetprojekt iasi1941.com.
Vor der Großen Synagoge, auf dem Platz der rumänsich-israelischen Freundschaft gibt es einen Gedenkort. IMG_20240212_143427.jpg

Museum und wichtiger Ort der damaligen Geschehnisse war das Polizeirevier. Es wurden viele Menschen in ihren Wohnungen und auf der Straße erschossen, aber auch einige Tausende wurden im Hof der Polizeiwache gebracht und dort erschossen. IMG_20240212_113044.jpg

Die Überlebenden kamen in Züge und wurden deportiert. Während des Transports ist aber über die Hälfte gestorben, an Hunger, Durst und Luftnot, weil selbst die Spalten der Güterwagen vernagelt wurden. Insgesamt sind wohl über 13.000 Menschen dem Progrom zum Opfer gefallen.

Die Schilder in der Stadt greifen das jüdische Leben vor dem Progrom auf und erzählen von der reichhaltigen Kultur und Prägung der Stadt. So war die Hauptstraße früher von jüdischen Handwerken stark geprägt. Direkt gegenüber vom Nationaltheater wird erinnert, dass in Iași die erste jiddisch-sprachige Theatergruppe entstand und Ende des 19. Jahrhunderts durch Rumänien tourte. IMG_20240212_115522.jpg

Darüber hinaus gibt es auch Schilder-Farben anderer Themen, die je nach Interessenssphäre weitere Orte anzeigen. Zum Beispiel können die Veränderung der kommunistischen Epoche nachvollzogen werden.

So gibt es auch eine Erinnerung an den mir unbekannten Schreiber und Dichter Emil Brumaru. Übersetzt steht hier: “Ich verlange nichts von dir, ich will nur, dass du existierst”IMG_20240212_114951.jpg

Bei einer Fahrt mit der Straßenbahn war ich kurz überrascht, dass die Beschriftungen auf Deutsch sind. IMG_20240212_120035.jpg

Das alte Wagen, die in Deutschland ausgemustert werden, in anderen Ländern gekauft und weitergefahren werden, ist hinlänglich bekannt, aber bei diesem Wagen wurde noch nicht mal mehr die Beschriftung geändert. Das gilt auch für die Werbung am Wagen außen selbst. So fährt sie großflächig mit Werbung für die Sparkasse Mühlheim an der Ruhr. Wäre spannend, wie viele Kund:innen die Sparkasse schon in Iași geworben hat.
Dieser alte Wagen dagegen ist nur Photomotiv in der Fußgängerzone. IMG_20240212_111926.jpg

Wäre ich der Romantik-Schilder-Tour gefolgt wäre ich auch am Botanischen Garten rausgekommen. Ich war mir unschlüssig, ob ich mir den antue, zumal er wohl der größte in Europa ist. Aber da auch satte Preise verlangt werden, habe ich darauf verzichtet. IMG_20240212_153215.jpg

Allerdings ist vor dem Eingang schon ein Park und das reicht ja auch für heute. IMG_20240212_153405.jpg

 
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