letzten Endes
Zurück in der kalten Hütte, sitze ich an der gleichen Stelle und tippe nun, wie ich auch den “Abend-davor-Artikel” getippt habe. Es ist Nacht, still und aber anders. Ich habe vom Käfer geschrieben, der auf die Bahn geht, der den Bedarfshalt sucht. Es gab großen Bedarf, denn soviele Wege haben auf die Mauer hingeführt, an der ich nicht zerschellen mag. Schon die erste Minute nach dem Start hat eine Befreiung bedeutet. Eine Veränderung. Ein von zurück nach vorn. Ein Handeln, nicht behandelt werden. Es mag sein, dass ich für manche Geschmäcker, das Adrenalin gesucht habe, die Grenze überschritten habe. Das Risiko ausgereizt, das Glück überdehnt habe. Klar, oder ich habe hinter den Tellerrand geschaut, den Trampelpfad verlassen. Wenn mensch sich an die Felskante stellt, und tief einatmet, kann es sein dass man abrutscht, aber es kann sein, dass einem der Atem stockt, weil die Sonne aufgeht. Ich wusste nicht, dass Risiko ein Thema wird.
Ich wusste, dass “Grenzen haben” ich als Thema mitbringe, aber diese habe ich weiter arretiert. Sie schützen mich. Auf über 2.000 Metern bei Schnee und über 45 Grad Neigung, habe ich meine Grenze gespürt, akzeptiert und bin beseelt zurückgekehrt. In Charkiw, habe ich im Einkaufszentrum eine Grenze gespürt. Menschliche Grenzen. Ich kann hier gerne ein “Bitte nicht nachmachen”-Schild aufstellen, aber die die das lesen wissen das schon.
Der Käfer ist, wie ihr der letzten Karte entnehmen konntet, durch viele viele Orte geschwirrt, saß in Chișinău Gedanken versunken. Gedanken die bleiben, die was bewegt haben, sich neu zusammengesetzt haben. Es sind nicht alle Entscheidungen gefallen. Geht ja auch gar nicht. Aber viele sind abgeräumter. Nach so vielem, entsteht auch ein dankbares Gefühl. So ein wohliges, wie ein Schnaps in der Magengegend. Wenn ich in meine eigenen Bilder schaue, die in meinem Kopf bleiben, sind da besonders die Menschen. Yarema zu vorderst, hat viel Zeit und Gedanken mit mir geteilt, wie kein Zweiter. Ich habe ein Land im Krieg und in der Normalität durch seine Augen kennengelernt. Darüber hinaus, müsste ich hier auch bedeutende Sätze über Adriana, Jin, Gerhard, Maria und Elena schreiben. Aber die Erlebnisse lassen sich jetzt nur noch genießen, nicht wiederholen. Es kann nicht einfach nochmal gemacht werden oder kopiert oder gebrannt oder dupliziert oder in anderen Farben verkauft werden. Ich denke, dass wir zu oft unterschätzen, was wir für einen Eindruck wir auf Menschen haben. Dafür sitzen wir zu oft mit unseren Smartphones getrennt im gleichen Raum. Ich war heute in meinem allerletzten Zug und eine Frau frug mich, ob der Platz noch frei wäre. Sie formulierte aber, dass sie sich gerne hier hinsetzen mag. Schwingt da eine Wertschätzung mit? Warum hat sie nicht gesagt was alle sagen? Sie lernte für ihre Polizei-Prüfung und ich hab mich nicht getraut ein Gespräch zu beginnen und mir fehlte auch eine griffige Idee. Aber wie gut wäre das? Was hätte ich gewinnen und was verlieren können? Selbst, wenn sie das Gespräch abweist, wie lange werde ich der “komische Typ aus der Bahn” sein? Wie wohl fast alle von euch, habe ich nix gesagt und mein Smartphone gezückt.
Die ganzen Begegnungen und das ganze Neue, was mich erfüllt, zeigt mir so stark nochmal, wo ich nicht mehr stehe. Ja, ich kann was ändern, neue Wege gehen. Man muss nur anfangen, über die Mauer klettern und schon ist man dahinter. Ich kann weiter-fliegen. Sie ist am nächsten Halt ausgestiegen und hat sich verabschiedet. Obwohl wir uns nicht unterhalten haben. Genug gedacht, los geht’s!
Danke, dass du das bis hierhin gelesen hast! Ich hab euch lieb.