Muszyna
Heute war eher so ein Schlappi-Tag, aber es ist ja auch Sonntag, eh nicht viel zu tun, und ganz katholisch, haben auch alle anderen sich hier dran gehalten. Zumal schon morgen neue Abenteuer locken.
Ich kann von meiner Unterkunft nach wenigen Metern in den Wald stolpern und dort über die polnisch-slowakische Grenze.
Hier verläuft offensichtlich ein toller Fahrradweg, der Eurovelo 11.
Ich bin nicht aus der Reiseradlerszene, aber durch seinen guten Zustand womöglich empfehlenswert. Auf dem bin ich durchs Poprad-Tal geschlendert.
Der Poprad ist ein größerer Fluss der sich hier durch die Berge schlängelt. Links und rechts gehen bewaldete Hügel hoch und dazwischen gibt es Dörfer, Straßen, Felder, Wege und hin und wieder zuckelt eine Bahn durchs Tal.
Das erste Dorf hieß Legnava und auffällig ist, dass die Ortsschilder sowohl slowakisch, als auch kyrillisch geschrieben sind.
Das erschloss sich mir nicht direkt, weil ja weder Polnisch noch Slowakisch die kyrillischen Buchstaben nutzen. Erst nach Recherche kam ich drauf, dass ich inmitten des Siedlungsgebietes der “Russinen” - nicht zu verwechseln mit den Russen - bin. Die Russininnen und Russinen sind eine anerkannte Minderheit mit eigener Sprache, die dem ukrainischen sehr ähnelt und deswegen oft mit darunter gefasst wird. Daher wird Russinisch, wie Ukrainisch, mit kyrillischen Buchstaben geschrieben.
Es gibt natürlich auch russinische Traditionen, Küche und so weiter, und nun verstehe ich auch die ein oder andere Bezeichnung durch den Kontext besser.
In Legnava gab es am, ich nenns mal so, Gemeindehaus eine Tafel, die für die Befreiung am 21.01.1945 dankt und der Sowjetarmee, dass sie ihre Söhne dafür geopfert hat.
Direkt gegenüber gibt es ein Gedenkstelle für die in den beiden Weltkriegen Gefallenen des Dorfes gedenkt. Im oberen Bereich stehen die von 1914 bis 1918 für die ČSR (Tschechoslowakische Republik) Gefallenen und unten von 1944 bis 1945 dann die für die ČSSR (Tschechoslowakische Sozialistische Republik). Deshalb auch die Flagge dieser Jahre, die heute in der Form die von Tschechien ist.
Es mag im ersten Blick so wirken, als wenn das den Gedenkstellen eines jedem zweiten Dorfes in Deutschland ähnelt, wo mit Eisernen Kreuz geschmückt den “gefallenen Helden” gedacht wird. Der Unterschied wird wohl sein, dass die hiesigen Helden nicht mit antisemitischen Vernichtungswahn halb Europa überfallen haben.
Den Rückweg durchs Tal bestritt ich mit der Bahn. Der Zug an sich war neu, aber die Schienen sind historisch. Als ich an der Haltestelle ankam, verließ ein Bahnmitarbeiter sein Haus und legte per Hand die Weichen um.
Falls ihr euch fragt, warum Züge manchmal diesen berühmten Klang haben, wenn sie fahren. Klong, Klong, Pause, Klong, Klong, Pause, Klong, Klong, Pause, … Alle ungefähr 20 Meter ist die Schiene mit der nächsten verbunden und hat wie eine kleine Lücke.
Da wo zwei Wagons verbunden sind, stehen auch zwei Räder nah beieinander. Wenn nun der Zug über dieses Stück fährt, dann klingts erst einmal, dann Pause bis das Ende des ersten Wagens erreicht ist und klingt dann kurz hintereinander zweimal, weil direkt die Räder des zweiten Wagen kommen, und dann wieder Pause, bis Ende des zweiten und Anfang des dritten Wagen kommen, und so weiter und so fort.
Mein hehrer Plan ist es ja nach Košice zu fahren und in der Vorbereitung gab es Umsteigeverbindungen über Muszyna. Aber seitdem ich in die Feinplanung gegangen bin, in Zakopane, wird die mir nicht mehr angezeigt. Woran liegt das also, aber die Abfahrtstafel in Muszyna weiß bescheid: Der Zug der über die Grenze fährt, fährt in die slowakische Stadt “Poprad”, mit dem Hauptbahnhof “Poprad-Tatry”.
Tatsächlich kennt der Abfahrtsplan vom Bahnhof Muszyna und das Kursbuch der ZSSK (die slowakische Eisenbahn) den Zug von Muszyna nach Poprad-Tatry, aber der fährt nur am Sonnabend und Sonntag. Das heißt, heute hätte ich zwei Mal nach Poprad fahren können, aber morgen nicht. Das würfelt ein wenig meine Pläne durcheinander, aber wir werden sehen, wie mein neuer Plan morgen aufgeht.
Eine Kuriosität im Zentrum, am Rynek, ist, dass vermutlich zur vollen Stunde eine Melodie über Lautsprecher abgespielt wird. Warum und weshalb ist mir schleierhaft, aber sowohl gestern 16 Uhr, als auch heute 12 Uhr habe ich das deutlich im Zentrum gehört.
Muszyna verdankt sein Kurort-Dasein verschiedenen Mineral-Wasser-Quellen. Eine der Quellen ist wohl im Kurpark und heißt Antoni.
Zu der Jahreszeit ist der Pumpenraum geschlossen. Es gibt auch eine weit verbreitete Wasser-Flaschen-Marke: Muszynianka. Da ich euch was bieten möchte, probiere ich nun live Muszynianka-Wasser.
mmmh. sehr wässrig. mmmh, sehr dünn, aber Wasser schmeckt man deutlich vor. nochmal gurgeln. Wer hätt’s gedacht, es ist fast wie aus’m Hahn. Nur mit Spruz.
Mein Herumgeeiere heute führte mich auch in den “Sinnesgarten”, oberhalb des Kurparks. Wer mag kann da tolle Pflanzen und Sportgeräte anfassen. Gut ist vorallem der Aussichtsturm mit seinen Rundumblick.
Da es ja auch mein letzter Tag in Polen ist, gab es noch einmal leckerschmecker Pierogi ruskie. Die Speisekarte bietet verschiedene Pierogi an, d.h. vor allem verschiedene Füllungen, aber die “ruskie” ist die Standard-Variante. Nun geht auch “ruskie” nicht auf “russisch” zurück, sondern auf “russinisch”. Uvidíme sa zajtra! Ešte sa musím naučiť po slovensky.