Sandstrand und Sandsack

Was ein sonniger Tag. Direkt nach dem ich meine Füße in das Schwarze Meer getunkt habe, kam die Sonne raus und hat mich den Tag über begleitet. IMG_20240220_114105.jpg

Das ist im kalten-dunklen Februar eine Wohltat. Zumal sowohl die Luft als auch das Wasser einstellige Grade haben. IMG_20240220_113117.jpg

Das war nach dem Frühstück meine erste Tour und dafür bin ich an einer Seilbahn entlang zum Meer hinab gestiegen. IMG_20240220_112339.jpg

Odessa liegt leicht bergig, aber eher wie ein Platte zig Meter über dem Meer. Immer wenn man zum Wasser will muss man lange Treppen hinabsteigen. Die Seilbahn war aber außer Betrieb. Vermutlich, wie so vieles, was gerade verrammelt und versiegelt ist, wird es wohl im Sommer übervölkert werden. IMG_20240220_123155.jpg

Ein spannender Fakt zum Schwarzen Meer ist für mich, dass es durch einen Durchbruch am Bosporus entstand. Vorher war es eine besiedelte Landschaft und erst vor ein paar Tausend Jahren lief es mit Wasser voll. Möglicherweise wurde das Ereignis als “Sintflut” weitererzählt und dann niedergeschrieben und nun glauben Menschen an übernatürliche Kräfte.

Odessa ist ein großer Hafen am Schwarzen Meer und für die Hälfte des gesamten ukrainischen Im- und Export verantwortlich. Die Hafenanlagen ziehen sich sehr weitläufig an der Küste entlang, sodass es direkt am Stadtzentrum auch keinen Strand gibt. IMG_20240220_155522.jpg

Den alten Segler im Bild kann ich nicht direkt bestimmen, aber es gibt ein altes Segelschulschiff mit dem Namen Druschba und mit dem Heimathafen Odessa, dass für die ukraninische Kadett:innen-Ausbildung genutzt wurde. Gut möglich dass das dort liegt.
Im Straßenbild sind ja Soldat:innen sehr präsent und nicht wenige davon haben Marine-Symbole. Es gibt auch ein ewig brennendes Feuer unter einer großen Säule für “den unbekannten Seemann”, wie geschrieben steht.IMG_20240220_122122.jpg

Es gibt ansonsten sehr viele renovierte Gebäude, oder renovierung-verdienende Großbauten, wie hier die Philharmonie. IMG_20240220_134641.jpg

Die Stadt hat einen Bezug zum historischen Kino, der mir aber fehlt. So war die Russin Wera Cholodnaja wohl zu Beginn des 20. Jahrhundert viel in Kinos zu sehen. IMG_20240220_143128.jpg

Berühmter ist aber die Potemkinsche Treppe, die im Film “Panzerkreuzer Potemkin” eine wichtige Rolle spielte und in vielen späteren Filmen aufgegriffen wird. Ich habe leider kaum Bezug zu Filmen von 1905, aber wenn ihr mögt, der Film ist online problemlos ansehbar. Treppe und Standseilbahn sind zur Zeit aber nicht betretbar. IMG_20240220_160431.jpg

An der oberen Stadtkante im Bereich des Hafens sind verschiedene militärische Sperranlagen eingerichtet worden, die zum Teil älter aussehen. Hier ist es Nato-Draht, aber oft sind es Sandsäcke, sandgefüllte Reifen, Beton-Stände oder Tschechenigel. Letztere sind am verbreitesten und werden einfach aus drei ineinander-verwinkelten Stahlträgern verschweißt. Meist um schwere Fahrzeuge wie Panzer aufzuhalten. IMG_20240220_161200.jpg

Es gibt darüber hinaus nur wenige Orte in der Stadt wo weitere Panzersperren aufgestellt sind. Die meiste Zeit kann man das Gefühl haben, es sei alles wie immer. IMG_20240220_161723.jpg

Es gibt noch ein paar Generatoren in den Straßen. Womöglich für die Notfall-Strom-Versorgung, bei russischen Luftangriffen. IMG_20240220_161946.jpg

Ich war auch am Gewerkschaftshaus, dass vor knapp 10 Jahren in den Nachrichten weltweit war. Nach einem Fußballspiel kam es zu Straßenschlachten zwischen pro-europäischen und pro-russischen Aktivist:innen, die im Brand im Gewerkschaftshaus gipfelten. Über 40 Menschen starben und die Ereignisse zeigten die Spannungen im Land, über die Frage, wo es sich hinentwickeln soll. Die Ereignisse am 2. Mai 2014 sind wichtig für die weitere Entwicklung der folgenden Jahre. Wie auch in Chișinău gibt es Belege, dass die pro-russischen Kräfte teils Geld für die Teilnahme erhielten. IMG_20240220_110641.jpg

Es gibt in der Stadt eine Ecke mit interessanter Kunst, die sich mit Krieg, Nation, Judentum und vielem mehr auseinandersetzt. Einfach frech an die Wand geklebt, ganz mein Geschmack. IMG_20240220_141848.jpg

Nebendran stehen Tauben und weiße Hasen, die von Kindern gestreichelt werden und von Müttern Geld bekommen. IMG_20240220_141821.jpg

Es gibt hier übrigens kein Erdgeschoss, zumindest scheint die 1. Etage schon das gleiche zu sein. IMG_20240220_140217.jpg

Ansonsten gibt es Beobachtungen, die wohl eher was mit der Tatsache zu tun haben, dass ich in einer Großstadt bin. So wühlen hier mehr Menschen im Müll oder betteln am Straßenrand. Auch gibt es mal eine Moschee IMG_20240220_164723.jpg

und im Supermarkt eine kleine Abteiltung mit koscheren Essen. IMG_20240219_151904.jpg

Aber auch die Nähe zum Meer ist deutlich spürbar in der Küche, so kann man rohen Fisch direkt aus der Tiefkühltruhe kaufen. IMG_20240219_152348.jpg

Womit wir wieder am Schwarzen Meer sind. Ich bin ja so gar nicht Fan von Fisch und habe mein Mittag beim Imbiss-Grill verbracht, was zu einer netten Begegnung mit Sascha führte. Kurze Haare, Schürze, die Hände in Dauerrotation zwischen Salat, Fleischmesser und Soßen aus der Tube. Der Blick freundlich, das Gesicht eher hart. Im ersten Moment wirkt er zwar ernst, aber dann merke ich schnell, dass er eher der Sozialarbeiter ist. Sascha freut sich über mich, denn er hatte in der Schule Deutsch gelernt. Leider danach nie wieder gebraucht und wieder verlernt. Deswegen reden wir mehr in Englisch, aber zwischen den ganzen Kundschaften ist es nicht besonders tief. Fußball, Name und Deutschunterricht waren die Hauptthemen. Zumindest hoffe ich, dass er nicht nur dem Verkauf wegen so rumspaßt, sondern er sich ehrlich über den kleinen Austausch gefreut hat. Als er zum Abschluss nochmal hinter der Theke vorkommt, um mich beim Gehen abzufangen, um noch einen Satz deutsch zu lernen, meine ich doch zu spüren, dass ich sehr willkommen war. Das tat gut, weil vorher war es schwer sich in Essensgeschäfte zu trauen, die allessamt nur in kyrillisch sind.

 
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