Slowakisches Paradies
Wo sonst bin ich wohl heute gewesen. Das klingt tatsächlich überheblicher als es ist, weil es der Titel eines Nationalpark der wohl höchsten Kategorie im Zentrum der Slowakei ist. Mike hatte mich am Vorabend genaustens eingewiesen, eine Wanderkarte gegeben und auf dem Weg zur Arbeit am Bahnhof rausgeschmissen.
Slovenský raj, wie er auf Slowakisch genannt wird, ist zudem gut erreichbar. Er hat auch sehr über den Nationalpark Poloniny geschwärmt, der schiebt sich aber fast ins Länderdreieck mit Polen und der Ukraine und ist daher für mich schwieriger zu erreichen.
Das Slovenský raj ist sehr groß, hat sehr sehr viele Sehenswürdigkeiten und Routen und ist normalerweise überlaufen. Aber an einem Vormittag im Februar, bin ich dann doch so gut wie der einzige. Ausgangspunkt mit dem Zug ist die Stadt Spišská Nová Ves, die ich mit dem IC Richtung Wien erreicht habe. Eine solche Stadt hat entsprechend auch den mächtigen Busbahnhof und ich komme bis ins Dorf Hrabušice, dem Ausgangspunkt um nach Süden in die Berge zu starten.
Auf den Metern auf das Gebirge zu, wirkt es sehr unspektakulär. Ein paar bewaldete Hügel, sonst nix. Aber als es in den Canyon reingeht, wird klar, dass das hier keine klassische Wanderung werden wird. Ich klettere den prielom hornádu, also den Hornád-Durchbruch. Der Hornád ist der Fluss der sich hier durchs Gebirge gefräst hat. Schon die ersten Meter beginnen mit leichten Brücken, aber damit hört es nicht auf.
Es vergehen über den Tag kaum 100 Meter auf denen ich nicht entlang einer Sicherungskette oder einem Sicherungsseil auf eingeschlagenen Metall-Stufen auf- oder abklettere. Das Bild zeigt eine kleine Stelle mit gut 2 Metern Höhenunterschied.
Manchmal sind es einfach nur Plattformen, die in die Steilwand geschlagen wurden.
Während unter mir der Hornád mit viel Gewalt unerlässlich und wie unter Strom entlangrauscht. Alles was in diesen Fluss fällt, wird schnell mitgerissen und wenn es nicht in einem Felsstrudel hängen bleibt, wohl schneller rausgespült, als jemand hier klettern könnte. Erschwert wird die ganze Sache dadurch, dass manche Strecken stark übereist sind.
Es wirkt so, als wenn Schnee weiter oben geschmolzen ist und dann im lichtarmen Canyon wieder gefror. Da wir aber leichte Plusgrade haben, sind diese Eisstellen glatter und rutschiger denn je. Trotzdem bekomme ich manchmal den Eindruck, dass das Eis die Steige verformt hat. Was mir keine Sicherheit vermittelt.
Doch all das lässt sich überwinden. Die Herausforderung kann noch so knifflig sein, es spornt an, weiter zu klettern. Mein Endgegner in diesem Fall ist die eigene Angst. Solange ich mich festhalten kann und nichts wackelt, ist alles im Lot. Doch mit der Höhenangst eine rostige Hängebrücke überqueren? Viele Meter über den reißenden Fluss? Manche Stellen sind so durchgerostet, dass sie entzweit sind. Hier ist ja festhalten sinnlos, weil wenn die Brücke durchbricht, dann ja auch das Geländer.
Es sind Meter, wo ich den Ausblick in das Tal nicht so genossen habe, aber, wer hätte es gedacht, die Brücke steht noch. Hinzugefügt sei, dass es nicht bei einer Brücke blieb. Hin und wieder kommt auch mal ein ruhiges Stück und der Fluss wirkt seltsam still, nachdem er sonst so laut um die Ecke kommt. Als wenn er sich kurz ausruht, während die Sonne sich auf den Felswänden spiegelt. In den Felsen und besonders am Fluss haben sich viele Höhlen gebildet.
Kurioserweise hat sich besonders darin Eis gesammelt und oftmals fließt es aus diesen Schlunden heraus. Es wirkt nur so, es fließt ja nicht.
Überaschend gibt es auch wenige Häuser und manche Ecken deuten darauf hin, dass hier sonst viel mehr los ist. Große geschlossene Infrastruktur an Restaurants begleitet Parkplätze an den Zugängen. Nach den letzten schlammigen Meter gibt ein Art Torbogen den Blick auf den slowakischen Alltag zurück. Landstraße, Ein-Familienhaus und im Hintergrund ein paar Plattenbauten. Das hier ist Smižany und auch mein Einstieg in den Regionalzug zurück nach Košice.
Heute waren die Angestellten der ZSSK viel netter und ich habe meine Züge für morgen bekommen, nachdem das am Vortag so abgewiesen worden ist.
Ich fühl mich sehr zu Hause bei Adriana und Mike, aber es tut auch weh, wenig tun zu können, weil sie einfach alle krank sind und das zum Teil nicht wenig. Adriana hat beide Kinder zu Hause und hat selber starke Symptome. Ich versuche ein wenig beim Kochen und Aufräumen zu helfen, aber sie schickt mich weg, weil sie das schneller hinbekommt, bevor sie mir alles zeigt. Die beiden Kinder sind auch mehr an Mutti interessiert, sodass ich mich viel mit Mike unterhalte. Über Wandern, Musik, alte Zeiten, Technik, Kinder, und so viel mehr. Trotzdem sitze ich oft hilflos da und wünschte mir, mehr zurückgeben zu können, als ein guter Gesprächspartner zu sein und das ist ja schwer einzuschätzen.
Gerade schreibe ich die Zeilen, während die Tochter vor lauter Husten kein Auge zubekommt und höre wie Adriana versucht, ihr so gut es geht, zu helfen. Man ist irgendwie nur Gast und es fühlt sich gut an morgen abzureisen, weil dann vielleicht die Last mit mir noch abfällt. Würden sie mir das sagen, wenn sie es so empfänden? Vermutlich nicht. Kann ich darauf vertrauen, dass sie es trotzdem gut fanden, dass ich da war? Wie kann ich vielleicht mehr zurückgeben, als ich es diesmal geschafft habe?
Gastgeber:innen sind so individuell und verschieden wie die Gäste. Ich habe oft keine Erwartungen, aber diesmal habe ich mehr als das bekommen. Eigenes Zimmer, gute Tipps, gute Gespräche und immer ein gutes Abendbrot. Was will ich mehr?